Donnerstag, 18. Juli 2013

Der Countdown läuft…

Seit genau einem Jahr bin ich hier. Und das Jahr ist so schnell vergangen, aber andererseits habe ich so viel erlebt, dass ich gar nicht glauben kann, dass das alles in nur ein Jahr passt.

Und jetzt geht es für mich auch schon in 10 Tagen wieder nach Hause und ich stecke mittendrin ein einem kleinen Gefühlschaos. Ich freue mich riesig wieder nach Hause zu kommen, ich möchte hier nicht weg, bin traurig, unsere Nachfolgerinnen sind schon da und zu wissen, dass die Arbeit und mein Leben hier in Arequipa für mich damit jetzt aufhört ist einfach nur komisch. Und was passiert danach ... ?

Ja, mir bleiben noch 10 Tage, was werde ich da machen?! Zwischen Abschiedsgeschenken basteln, meinem Abschiedsfest planen, gewohnte Dinge noch einmal zu tun, die restliche Zeit genießen, mich nochmal mit meinen Freunden zu treffen, die Kinder noch einmal ganz bewusst in den Arm zu nehmen – und gleichzeitig zu versuchen meinen Alltag weiter zu leben… Ganz schön viel auf einmal, oder?


Aber trotzdem - ich bin mir sicher: Es ist es gut, so wie es ist!

Samstag, 6. Juli 2013

Ein Versuch, auf 5822m Salsa zu tanzen

Am Samstag ging er los, unser langgeplanter „Ausflug“ auf den Misti. Um 8 Uhr morgens trafen wir uns mit der ganzen Gruppe, die den Versuch starten wollten, den 5822m hohen Vulkan, das Wahrzeichen Arequipas, zu erklimmen. Etwa 1 ½ Stunden später, die wir in einem 4x4, aus der Stadt hinaus, in Richtung der Südseite des Misti, verbracht haben, stehen wir da – mit riesigen Rucksäcken, Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, ganz viel Kleidung und 5l Wasser pro Person. Alle noch guter Dinge starteten wir in Richtung Gipfel.

Ich hatte mir schon im Voraus Tabletten gegen die Höhenkrankheit gekauft, da ich wusste, dass es mir bei zunehmender Höhe immer schlechter geht. Und einigermaßen gut trainiert machte ich mich dann mit den anderen an den Aufstieg. Für den ersten Tag hieß es: 5 Stunden Aufstieg bis zum zweiten Basislager auf etwa 4700m. Das ergibt bei einem Ausgangspunkt von 3400m genau 1300 Meter Höhenunterschied zu bekämpfen.


Nachdem sich zu Beginn noch alle locker unterhalten hatten, wurde es schon bald ruhig und allen wurde klar, dass sie sich ihre Kräfte einteilen müssen, wenn sie oben ankommen wollen. Den Blick auf die Fersen des Vordermanns gerichtet bewältigten wir steile Anstiege auf Sand, Steinen und über Felsen. Doch die regelmäßigen Pausen, die uns unsere Guides vorgaben, erlaubten es uns wieder neue Kräfte zu sammeln und auch die tolle Natur zu bestaunen, in der wir unterwegs waren.


Immer wieder ging mir durch den Kopf: Warum machst du das eigentlich? Warum willst du so etwas Extremes ausprobieren? Für was willst du dich quälen? Was reizt dich daran, mit etwa 18kg auf dem Rücken 2400 Höhenmeter aufzusteigen und das nicht von Meereshöhe, sondern von einem Ausgangspunkt, der schon auf 3400m liegt? Warum mache ich das???
Und ich muss ganz ehrlich sein, in all der Zeit ist mir keine Antwort in den Kopf gekommen. Ich wusste nur: Ich will es unbedingt schaffen! Ich will Arequipa von oben sehen! Und das Gefühl, etwas Neues auszuprobieren und seine Grenzen auszutesten reizt dann doch!

Während des ganzen Tages fiel mir auf, dass es mir erstaunlich leicht fiel zu laufen. Ich spürte klar Anstrengung, aber nicht, dass ich bei jedem Schritt kämpfen musste.
Doch je höher wir kamen, desto mehr spürte ich Schwindel und später dann auch Übelkeit – trotz der Tabletten, die ich präventiv genommen hatte.



Trotz allem kamen wir dann alle gegen 16.00 Uhr gut im Basislager an. Dann hieß es, Zelte aufbauen und eine kleine Siesta halten, bevor es dann das von den Guides gekochte Abendessen gab. Wir bekamen eine leckere Semola-Suppe und Spagetti mit Thunfisch bzw. Käse. Und dann ging die Sonne unbeschreiblich schön unter und im nächsten Augenblick wurde es bitterkalt und wir zitterten noch trotz sämtlichen Schichten, die wir trugen, und mehr oder weniger guten Jacken und Schneehosen. Deshalb machten wir uns dann auch direkt nach dem Essen und einiges Fotos von Arequipa bei Nacht auf ins Zelt. Und auch, weil es für den nächsten Morgen hieß, um 1 Uhr aufzustehen, um die zweite Hälfte bis zum Krater aufzusteigen.



Doch schon bald machte sich bei mir ein starker Kopfschmerz und Übelkeit breit und ich befürchtete schon, dass ich es nicht schaffen würde, noch weiter aufzusteigen.
Und genau dies war dann auch nachts, als wir geweckt wurden, der Fall. Trotz dem, dass wir 2 Guides dabei hatten, hab ich beschlossen nicht aufzusteigen. Denn ich wollte dann nicht, dass andere wegen mir wieder mit absteigen müssen und ich ihnen so eventuell das Erlebnis nehme, den Krater zu erreichen (denn die Guides meinten, es müssen mindestens 3 Personen absteigen, wenn es einem schlecht geht, der andere Guide muss dann mit der ganzen Gruppe nach oben).

So zogen 7 aus unserer Gruppe los, 3 mussten sich der Höhe geschlagen geben und blieben im Zelt. Und bei mir machten sich Enttäuschung, Traurigkeit, Wut, Unverständnis und vieles mehr breit … Zusätzlich lag ich dann noch allein im Zelt und konnte kein Auge zu tun, weil es einfach nur bitterkalt war und ich trotz viel Kleidung und 2 Schlafsäcken einfach nicht mehr aufhören konnte zu zittern und zu frieren.
Klar wusste ich, dass es nicht leicht werden würde, dass 5800m echt verdammt hoch sind. Und trotzdem habe ich geglaubt, dass ich es schaffen würde.

Doch dann kamen auch schon bald die anderen wieder, und ich wusste, dass auch sie es nicht geschafft haben, auch sie mussten sich damit abfinden, dass in dieser Höhe die Luft einfach sehr dünn und bitterkalt ist.

Und bald packten wir dann auch unsere Zelte zusammen, stopften alles Übriggebliebene in unsere Rucksäcke, tanzten die „Rueda Cubana“, die wir eigentlich ganz oben auf dem Gipfel tanzen wollten im Basiscamp, und machten uns an den Abstieg.
Zwei Stunden blieben uns noch auf dem Misti während dem Abstieg, teilweise riesen Sandfelder hinunterrennend, dann wieder den steinigen Weg verfolgend, den wir am Tag zuvor aufgestiegen sind. Und mir ist noch einmal ganz deutlich geworden, wie sich die Natur auf diesen 1300 Höhenmetern verändert: von Eis und Schnee über Felsen, steinig-sandigen Untergrund, große Sandfelder, trockene Gräser, kleine Büsche, erste Bäume, Blumen … unglaublich schön!


Ja, und dann kamen wir am 4x4 an, der uns wieder zurück nach Arequipa brachte und unser kleiner Ausflug war vorbei – ohne, dass wir oben angekommen sind. Aus dem Versuch blieb ein Versuch. 
Und trotzdem habe ich so viel Schönes gesehen. Unglaublich, wie klein Arequipa ist, wenn man es von so weit oben anschaut. Und wie nah die Sterne scheinen. Und dass so viele Tiere noch auf dieser Höhe leben. Und und und …