Am Samstag ging er los, unser
langgeplanter „Ausflug“ auf den Misti. Um 8 Uhr morgens trafen wir uns mit der
ganzen Gruppe, die den Versuch starten wollten, den 5822m hohen Vulkan, das
Wahrzeichen Arequipas, zu erklimmen. Etwa 1 ½ Stunden später, die wir in einem
4x4, aus der Stadt hinaus, in Richtung der Südseite des Misti, verbracht haben,
stehen wir da – mit riesigen Rucksäcken, Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, ganz
viel Kleidung und 5l Wasser pro Person. Alle noch guter Dinge starteten wir in
Richtung Gipfel.
Ich hatte mir schon im Voraus Tabletten
gegen die Höhenkrankheit gekauft, da ich wusste, dass es mir bei zunehmender
Höhe immer schlechter geht. Und einigermaßen gut trainiert machte ich mich dann
mit den anderen an den Aufstieg. Für den ersten Tag hieß es: 5 Stunden Aufstieg
bis zum zweiten Basislager auf etwa 4700m. Das ergibt bei einem Ausgangspunkt
von 3400m genau 1300 Meter Höhenunterschied zu bekämpfen.
Nachdem sich zu Beginn noch alle locker
unterhalten hatten, wurde es schon bald ruhig und allen wurde klar, dass sie
sich ihre Kräfte einteilen müssen, wenn sie oben ankommen wollen. Den Blick auf
die Fersen des Vordermanns gerichtet bewältigten wir steile Anstiege auf Sand,
Steinen und über Felsen. Doch die regelmäßigen Pausen, die uns unsere Guides
vorgaben, erlaubten es uns wieder neue Kräfte zu sammeln und auch die tolle
Natur zu bestaunen, in der wir unterwegs waren.
Immer wieder ging mir durch den Kopf:
Warum machst du das eigentlich? Warum willst du so etwas Extremes ausprobieren?
Für was willst du dich quälen? Was reizt dich daran, mit etwa 18kg auf dem
Rücken 2400 Höhenmeter aufzusteigen und das nicht von Meereshöhe, sondern von einem
Ausgangspunkt, der schon auf 3400m liegt? Warum mache ich das???
Und ich muss ganz ehrlich sein, in all
der Zeit ist mir keine Antwort in den Kopf gekommen. Ich wusste nur: Ich will
es unbedingt schaffen! Ich will Arequipa von oben sehen! Und das Gefühl, etwas
Neues auszuprobieren und seine Grenzen auszutesten reizt dann doch!
Während des ganzen Tages fiel mir auf, dass
es mir erstaunlich leicht fiel zu laufen. Ich spürte klar Anstrengung, aber
nicht, dass ich bei jedem Schritt kämpfen musste.
Doch je höher wir kamen, desto mehr
spürte ich Schwindel und später dann auch Übelkeit – trotz der Tabletten, die
ich präventiv genommen hatte.
Trotz allem kamen wir dann alle gegen
16.00 Uhr gut im Basislager an. Dann hieß es, Zelte aufbauen und eine kleine Siesta
halten, bevor es dann das von den Guides gekochte Abendessen gab. Wir bekamen
eine leckere Semola-Suppe und Spagetti mit Thunfisch bzw. Käse. Und dann ging
die Sonne unbeschreiblich schön unter und im nächsten Augenblick wurde es
bitterkalt und wir zitterten noch trotz sämtlichen Schichten, die wir trugen,
und mehr oder weniger guten Jacken und Schneehosen. Deshalb machten wir uns
dann auch direkt nach dem Essen und einiges Fotos von Arequipa bei Nacht auf
ins Zelt. Und auch, weil es für den nächsten Morgen hieß, um 1 Uhr aufzustehen,
um die zweite Hälfte bis zum Krater aufzusteigen.
Doch schon bald machte sich bei mir ein
starker Kopfschmerz und Übelkeit breit und ich befürchtete schon, dass ich es
nicht schaffen würde, noch weiter aufzusteigen.
Und genau dies war dann auch nachts, als
wir geweckt wurden, der Fall. Trotz dem, dass wir 2 Guides dabei hatten, hab
ich beschlossen nicht aufzusteigen. Denn ich wollte dann nicht, dass andere
wegen mir wieder mit absteigen müssen und ich ihnen so eventuell das Erlebnis
nehme, den Krater zu erreichen (denn die Guides meinten, es müssen mindestens 3
Personen absteigen, wenn es einem schlecht geht, der andere Guide muss dann mit
der ganzen Gruppe nach oben).
So zogen 7 aus unserer Gruppe los, 3
mussten sich der Höhe geschlagen geben und blieben im Zelt. Und bei mir machten
sich Enttäuschung, Traurigkeit, Wut, Unverständnis und vieles mehr breit …
Zusätzlich lag ich dann noch allein im Zelt und konnte kein Auge zu tun, weil
es einfach nur bitterkalt war und ich trotz viel Kleidung und 2 Schlafsäcken
einfach nicht mehr aufhören konnte zu zittern und zu frieren.
Klar wusste ich, dass es nicht leicht
werden würde, dass 5800m echt verdammt hoch sind. Und trotzdem habe ich
geglaubt, dass ich es schaffen würde.
Doch dann kamen auch schon bald die
anderen wieder, und ich wusste, dass auch sie es nicht geschafft haben, auch
sie mussten sich damit abfinden, dass in dieser Höhe die Luft einfach sehr dünn
und bitterkalt ist.
Und bald packten wir dann auch unsere
Zelte zusammen, stopften alles Übriggebliebene in unsere Rucksäcke, tanzten die
„Rueda Cubana“, die wir eigentlich ganz oben auf dem Gipfel tanzen wollten im
Basiscamp, und machten uns an den Abstieg.
Zwei Stunden blieben uns noch auf dem
Misti während dem Abstieg, teilweise riesen Sandfelder hinunterrennend, dann
wieder den steinigen Weg verfolgend, den wir am Tag zuvor aufgestiegen sind.
Und mir ist noch einmal ganz deutlich geworden, wie sich die Natur auf diesen
1300 Höhenmetern verändert: von Eis und Schnee über Felsen, steinig-sandigen
Untergrund, große Sandfelder, trockene Gräser, kleine Büsche, erste Bäume,
Blumen … unglaublich schön!
Ja, und dann kamen wir am 4x4 an, der uns
wieder zurück nach Arequipa brachte und unser kleiner Ausflug war vorbei –
ohne, dass wir oben angekommen sind. Aus dem Versuch blieb ein Versuch.
Und
trotzdem habe ich so viel Schönes gesehen. Unglaublich, wie klein Arequipa ist,
wenn man es von so weit oben anschaut. Und wie nah die Sterne scheinen. Und
dass so viele Tiere noch auf dieser Höhe leben. Und und und …